6 Minutes Read Von Dr. Stefan Sambol

Wie Mittelständler die Hürden der digitalen Transformation überwinden

#Industry Trends#Digital Go-to-Market#Private Equities & Investors

Unterbrechungen der Lieferkette, Arbeitskräftemangel, Preiserhöhungen und sich schnell ändernde Verbraucherpräferenzen sind nur einige der Folgen der COVID-19-Pandemie, von der Unternehmen weltweit immer noch betroffen sind. Dies ist einer der Gründe dafür, dass die digitale Transformation eher eine strategische Notwendigkeit als eine Frage der Wahl ist, da immer mehr Unternehmen diesen Prozess nutzen, um ihre Abläufe und Angebote zu verändern.

OMMAX-Experten haben die 150 größten deutschen Familienunternehmen nach Größe und Umsatz analysiert und festgestellt, dass 4 von 5 Vorstandsmitgliedern für diesen Prozess gerüstet sein müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich diese Zahl im Vergleich zur Studie von vor zwei Jahren kaum verbessert hat.

OMMAX-Partner Dr. Stefan Sambol skizziert, was sich ändern muss, damit dieser Prozess Früchte trägt:
 

1. Neue Leute, neue Ideen

Neue Mitglieder werden wahrscheinlich frische Ideen und Einstellungen in den Vorstand einbringen, vor allem, wenn es sich um Digital Natives handelt. Obwohl 13 % der Vorstandsmitglieder der untersuchten Unternehmen seit 2020 neu gewählt wurden, brachte nur ein Viertel digitale Fachkenntnisse oder frühere Erfahrungen in führenden Technologieunternehmen mit. Es ist zwar möglich, einen positiven Mentalitätswandel festzustellen, aber diese Zahlen deuten darauf hin, dass die Einführung der neuen Technologien ins Stocken geraten ist und es nicht genügend Impulse für die notwendige Umstellung gibt. Der Anstoß zum Wandel muss von der obersten Führungsebene kommen, damit der Prozess in alle internen Abläufe und Strukturen eingebettet werden kann.

Top-Performer wie VOITH, Haniel, Bertelsmann, SCHWARZ, Vorwerk und OTTO haben im Durchschnitt vier Mitglieder mit digitalem Hintergrund in ihren Vorstandsetagen und integrieren die nächste Generation von Eigentümern, um die Wissenslücke in traditionellen Familien zu schließen.

Mit seinem jungen, digitalen und unternehmerisch denkenden Aufsichtsrat ist OTTO ein innovatives Best-Practice-Beispiel: Vier von neunzehn Aufsichtsratsmitgliedern verfügen über fundierte digitale Kenntnisse, und ein neues Mitglied, das im Jahr 2020 hinzukommt, verfügt ebenfalls über entsprechendes Know-how, da es eine Position als Direktor im Bereich Risikokapital innehat. OTTOs Aufsichtsräte sind unter anderem Benjamin Otto, Start-up-Gründer, VC-Investor und NextGen Owner bei OTTO, Dr. Rainer Hillebrand, Corporate Strategy, Business Intelligence und Director bei OTTO und Marius Marschall von Bieberstein, Serial Entrepreneur und Investor.

2. Aufbrechen von Datensilos und IT-Umstrukturierung

Nachdem die Unternehmenskultur berücksichtigt wurde, müssen auch die Systeme und die Infrastruktur so ausgestattet sein, dass sie die digitale Transformation unterstützen. Dies bedeutet, dass Datensilos aufgebrochen werden müssen, um sicherzustellen, dass Informationen problemlos zwischen den Abteilungen und dem Managementteam fließen können, und dass die verfügbaren Daten genutzt werden müssen, um digitale Initiativen und Wachstum voranzutreiben.

Laut der Digitalexpertin Dr. Katrin Suder besteht der aktuelle Wettbewerb, dem sich die meisten deutschen Hersteller stellen müssen, darin, wie sie Software nutzen können, um ihren Produkten neue Funktionen und Lösungen hinzuzufügen. Wir sehen Beispiele in verschiedenen Branchen, in denen Tech-Giganten wie Google und Tesla versuchen, die Kundenschnittstelle zu dominieren, und Hardware-Hersteller bedroht sind, zu deren Zulieferern zu werden.


Ein Beispiel aus der Automobilindustrie: CARIAD

CARIAD ist ein Technologieunternehmen, das sich auf Software für die Automobilindustrie spezialisiert hat. Es baut auf den Software-Kompetenzen des Volkswagen-Konzerns auf und baut diese weiter aus. Seit der Gründung im Jahr 2020 haben mehr als 6.000 Entwickler, Ingenieure und Designer aus der ganzen Welt ihr Know-how bei CARIAD gebündelt. Ihr vorrangiges Ziel ist es, das Automobil als softwaregetriebenes Fahrzeug neu zu definieren, das das Fahrerlebnis nahtlos in das digitale Leben einbindet. Ihre Vision ist es, den Volkswagen-Konzern zu einem softwaregesteuerten Mobilitätsanbieter zu machen. Volkswagen schlägt vor, das Auto mit einem "Smartphone auf Rädern" zu vergleichen und unterstreicht damit die wachsende Bedeutung von Software in der Automobilindustrie.

Der Aufsichtsrat von CARIAD setzt sich aus Software-, Digitalisierungs- und Automobilexperten innerhalb und außerhalb des Volkswagen-Konzerns zusammen: CEO Dirk Hilgenberg ist eine Führungspersönlichkeit in der Automobilindustrie mit mehr als 28 Jahren internationaler Erfahrung in den Bereichen IT, Software und Produktion. Lynn Logo, CTO, kam von SiriusXM, einem Anbieter von Satellitenradio und Audio-Streaming-Plattformen mit über 40 Millionen Abonnenten in den USA. Rainer Zugehör, CPO, trägt zum Aufbau agiler Organisationsstrukturen bei und unterstützt den kulturellen Wandel.

Deutschland ist nicht unbedingt rückständig in Sachen Software, aber es steht vor Herausforderungen bei der Anpassung an die sich schnell verändernde globale digitale Landschaft. Es gibt mehrere Faktoren, die zu dieser Herausforderung beitragen.

  1. Veraltete Systeme und Prozesse: Viele deutsche Unternehmen verfügen über Prozesse und Systeme, die seit Jahrzehnten im Einsatz sind. Diese Altsysteme können schwer zu aktualisieren und mit neueren digitalen Technologien zu integrieren sein, was das Tempo der digitalen Transformation verlangsamt.
  2. Eine risikoscheue Kultur: Deutsche mittelständische Unternehmen neigen zu einer konservativen, risikoaversen Kultur, die sie bei der Einführung neuer digitaler Technologien zögern lassen kann. Oft werden bewährte, gut etablierte Technologien bevorzugt, was das Experimentieren mit neuen digitalen Tools und Plattformen erschwert.
  3. Bedenken hinsichtlich Regulierung und Datenschutz: Das strenge regulatorische Umfeld in Deutschland, insbesondere in Bezug auf den Datenschutz, kann es für Unternehmen schwierig machen, neue digitale Tools und Plattformen einzuführen. Dies kann zur Folge haben, dass digitale Technologien im Vergleich zu Ländern mit lockereren Vorschriften langsamer angenommen werden.

 

3. Digitale Präsenz und Kompetenz


37 % der untersuchten Aufsichtsräte hatten keine digitale Präsenz (z. B. auf LinkedIn, Xing, Twitter oder anderen beruflichen Netzwerken). Dies gefährdet die langfristige Sichtbarkeit dieser Unternehmen und beeinträchtigt ihre Fähigkeit, Einblicke in die digitale Welt zu gewinnen und sich über aktuelle Themen und Trends auszutauschen. Darüber hinaus erschwert der Versuch, digitale Lösungen zu implementieren, ohne über die digitalen Tools und die nötigen Kenntnisse zu verfügen, die Fähigkeit der Manager, die Nachhaltigkeit und Rentabilität dieser Aktivitäten zu messen. Während die Umstrukturierung der internen Infrastruktur eines Teams den Zugang zu Informationen sicherstellt, sorgen die digitale Präsenz und die digitale Kompetenz dafür, dass das Topmanagement über Mittel und Wege verfügt, um die Ergebnisse bestmöglich zu bewerten, z. B. indem es in der Lage ist, digitale KPIs zu lesen und zu analysieren.

 

4. Die Zeit zum Handeln ist jetzt

Kurz gesagt, Unternehmen stehen vor verschiedenen Herausforderungen im Zusammenhang mit der digitalen "Readiness", von der Budgetierung bis zur Suche nach der richtigen Strategie, den richtigen Tools und Experten. Ein so umfassender Prozess muss mit voller Unterstützung der Führung, den richtigen Anreizen für die Managementteams und den richtigen KPIs durchgeführt werden, einschließlich der Implementierung von Mechanismen zur Unterstützung des damit einhergehenden kulturellen Wandels. Da es im Mittelstand, gerade in Familienunternehmen, oft schwierig ist, auf interne Digitalexperten zuzugreifen, sind auch Hybridlösungen möglich. Durch den Aufbau digitaler Beraternetzwerke, die Kompetenzlücken durch externes Fachwissen schließen, können KMU besser auf wichtige Erkenntnisse zugreifen, um den entscheidenden digitalen Transformationsprozess zu bewältigen.

Unsere OMMAX-Studie zeigt, dass Familienunternehmen in Deutschland bei Digitalisierung und Innovation weit zurückliegen, was sie in einer sich schnell entwickelnden Geschäftslandschaft, in der digitale Technologien immer wichtiger werden, benachteiligt. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie 5-10 Jahre in die Zukunft blicken, Investitionen in die Digitalisierung priorisieren, externe Digitalexperten in ihre Vorstandsetagen holen und eine Kultur entwickeln, die neue Technologien und digitale Arbeitsweisen begrüßt, wie wir am Beispiel von CARIAD sehen.

By Dr. Stefan Sambol